Additive Akupunktur: Der Geburtsverlauf wird beschleunigt
(Deutsches Ärzteblatt 1999; 96(10): A-580 / B-473 / C-445)
Bei Erstgebärenden kann durch eine – zusätzlich zur üblichen Praxis – vorgenommene tonische Akupunkturbehandlung nach chinesischem Muster die Geburtsdauer signifikant um rund zwei Stunden gesenkt werden. Der positive Effekt der Nadelung ließ sich in der Mannheimer Studie mit zirka 800 Schwangeren auch anhand des objektiven Parameters der Cervixreifung nachweisen, wie Dr. Ansgar Römer beim Gynäkologenkongress in Nürnberg darlegte. Besondere Therapieverfahren erfreuen sich bei Patientinnen zunehmender Beliebtheit. Für viele dieser Verfahren steht ein wissenschaftlicher Nachweis der Wirkung aus, ersatzweise existieren jedoch zahlreiche Kasuistiken und Beobachtungen.
Erstmals wurde in Mannheim eine objektive Studie zur geburtsvorbereitenden Akupunktur abgeschlossen, die wissenschaftlichen Kriterien entspricht und eine Kontrollgruppe einbezieht. Nach Angaben des Referenten wurden bei der Studie drei Gruppen gebildet: Mehr als 300 Schwangere erhielten ab der 36. Schwangerschaftswoche eine tonisierende Akupunktur nach einem morphologischen Schema in Anlehnung an die chinesische Praxis der Geburtsvorbereitung. In einer zweiten Gruppe wurden mehr als 200 Frauen mit einer „psychologisch ausgleichenden“ Akupunktur behandelt, um die – unumgängliche – Reaktion auf eine unspezifische Nadelung zu erfassen. In einer ähnlich starken dritten Gruppe wurde bei den Schwangeren auf Akupunktur verzichtet.
Die Ergebnisse hinsichtlich der Geburtsdauer weisen nach Angaben von Römer für die Verumgruppe einen hochsignifikant verkürzten Geburtsverlauf aus – mit 470 gegenüber 536 und 594 Minuten war die Zeitspanne im Vergleich mit den „unbehandelten“ um rund zwei und im Vergleich zu den „plazebobehandelten“ Frauen um eine Stunde kürzer. Auch die Cervixreifung – Cervixlänge und Trichterbildung – war zum Geburtszeitpunkt in dieser Gruppe weiter fortgeschritten. Diese Art der additiven Akupunktur verändert nicht den Geburtstermin. Bei Terminüberschreitungen werden andere Akupunkturpunkte und eine stimulierende Nadelung gewählt. Die tonisierende morphologische Akupunktur wirkt offenbar längerfristig – in der ersten Gruppe war nach Römers Angaben die Wehenkoordination verbessert. Die Frauen müssten allerdings darauf hingewiesen werden, dass unter und bis zu einer Stunde nach der Akupunktur deutlich stärkere Kindsbewegungen zu spüren sind.